Im Auftrag von KINDER ZUKUNFT FÖRDERN e. V. mit finanzieller Unterstützung der Prof. Otto Beisheim Stiftung.
Verfasser: Prof. Dr. Josef Faltermeier, Wiesbaden | Prof. Dr. Arne Schäfer, Wiesbaden
Das Bethanien Kinder- und Jugenddorf betreut seit mehr als 50 Jahren Kinder und Jugendliche in Kinderdorffamilien. Die meisten von ihnen kommen aus Familien mit komplexen Problemlagen und haben häufig traumatisierende Erfahrungen mit Vernachlässigung, Gewalt und anderen Formen von Kindeswohlgefährdung machen müssen.
Nach und nach wurden deshalb Förder- und Therapieangebote, heilpädagogische Unterstützung und schulische Förderung für die Kinder ausgebaut. Auch die berufliche Ausbildung und der berufliche Einstieg werden gefördert und der Übergang in selbstständiges Wohnen und Leben wird langfristig angebahnt und begleitet. Das Kinderdorf zeichnet sich durch eine regelmäßige Beziehungs- und Kontaktpflege mit Ehemaligen aus, die sich aus dem Prinzip der Familienähnlichkeit der Erziehungskonzeption und den sich daraus entwickelnden ergibt. Hieraus resultieren häufig lebenslange Bindungen.
Trotzdem ergibt in der nachstationären Phase des selbstständigen Lebens – ohne den sicheren Rückhalt der Einrichtung – neuer Unterstützungsbedarf zur Bewältigung von Konflikten, Krisen und weiteren Herausforderungen des Alltags.
Vor diesem Hintergrund hat der Förderverein des Bethanien Kinder- und Jugenddorfes Eltville-Erbach e.V. das Institut Sozialer Arbeit für Praxisforschung und Praxisentwicklung (ISAPP) der Hochschule RheinMain in Wiesbaden beauftragt, eine wissenschaftliche Begleitstudie durchzuführen und auf der Grundlage der Befunde Empfehlungen für die Konzeption einer Nachbetreuung zu erarbeiten. Der Förderverein will mit dem Projekt »Brücke« die Unterstützung der jungen Erwachsenen nach der Heimerziehung ausbauen. Hierzu sollen Konzeptbausteine entwickelt werden, welche nicht auf die Einrichtungen der Bethanien Kinder- und Jugenddörfer beschränkt sind. Vielmehr sollen im Sinne eines Pilotprojekts übertragbare Erkenntnisse und konzeptionelle Eckpunkte für die Begleitung junger Erwachsener nach der Heimerziehung in Wiesbaden und Rheingau gewonnen werden.
Um die Bedarfe der jungen Erwachsenen im Übergang vom Heim in das selbstständige Leben, Wohnen und Arbeiten (Care Leaver) zu analysieren und die Perspektiven von ehemaligen
Heim¬jugendlichen und pädagogischen Fachkräften bei der Konzeption einer wirksamen Nachbetreuung zu berücksichtigen, wurden sieben qualitative Interviews mit ehemaligen Heimbewohner/-innen sowie vier Interviews mit Fachkräften durchgeführt und ausgewertet (vgl. Faltermeier/Schäfer 2016: 7ff.).1
Für die Studie sind Prof. Dr. Arne Schäfer und Prof. Dr. Josef Faltermeier vom Institut Sozialer Arbeit für Praxisforschung und Praxisentwicklung der Hochschule RheinMain Wiesbaden verantwortlich.
Der Forschungsprozess sowie die ausführliche Darstellung, Kommentierung und Begründung der Ergebnisse und deren sozialwissenschaftlichen und jugendhilfepolitischen Einordnungen sind in zwei Studienberichten ausführlich dokumentiert, die in Auszügen bereits veröffentlicht vorliegen.2
Bei der wissenschaftlichen Begleitstudie handelt es sich um ein qualitatives inhalts- und biografieanalytisches Praxisforschungsprojekt. Das Konzept der Verlaufskurve (Schütze 1981:67ff.) stellt die analytische Fokussierung von Krisengeschichten im Leben der Biografieträger ins Zentrum der Untersuchung. Es scheint uns besonders geeignet, die Ursachen der oftmals konflikthaften Lebensgeschichten von Heimjugendlichen herauszuarbeiten und bildet eine geeignete theoretische Grundlage, um die kritischen Phasen in den Lebensverläufen zu analysieren und die Hilfebedarfe herauszuarbeiten.3
1 Faltermeier, Josef/Schäfer, Arne 2016: Wissenschaftliche Begleitforschung des Projekts »Brücke«.
Zentrale Befunde und Empfehlungen für die Etablierung eines Projekts für die Unterstützung von
Care Leaver im Rheingau nach dem Ende der Jugendhilfe, unveröffentlichte Projektstudie.
3 Ausführlicher hierzu in den beiden Projektberichten.